Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Männer ihre Gefühle behandeln, als seien sie streng geheime Staatsdokumente – zugänglich nur für die höchsten Sicherheitsstufen. Alles soll bloß hinter einer Mauer verborgen bleiben.
Aber warum ist das so? Woher kommt das? Und wieso sind Tränen bei Männern fast immer ein Tabuthema?
Als Heilpraktikerin auch für das Thema Psychotherapie möchte ich ein wenig Licht ins Dunkel bringen und zeigen, dass es nicht nur okay, sondern sogar gesund ist, wenn Männer ihre emotionalen Seiten erkunden und teilen.
Die kulturelle Großbaustelle
Von klein auf lernen Jungs oft das Mantra: "Ein echter Mann weint nicht." In vielen Kulturen wird Männlichkeit noch immer mit Stärke, Unabhängigkeit und emotionaler Unerschütterlichkeit gleichgesetzt. Das Bild vom starken Beschützer, der niemals Schwäche zeigt, ist tief in das kollektive Bewusstsein eingegraben. Kein Wunder, dass der emotionale Ausdruck dann oft wie ein Besuch im emotionalen Hochsicherheitstrakt wirkt.
Das emotionale Dilemma
Einerseits gibt es also diese kulturellen Erwartungen, andererseits haben wir Männer – Überraschung – tatsächlich Gefühle. Ja, auch Traurigkeit, Angst und Unsicherheit gehören dazu. Diese Gefühle nicht auszudrücken, kann zu einer ganzen Reihe von Problemen führen, von innerer Unruhe und Stress bis hin zu schwerwiegenderen psychische Erkrankungen. Es ist, als würde man versuchen, einen Vulkan mit einem Pflaster abzudecken – irgendwann bricht er aus.
Die Lösung? Emotionaler Mut!
Was können wir also tun? Erstens, wir müssen das Stereotyp, dass emotionale Offenheit gleich Schwäche ist, über Bord werfen. Emotionen zu zeigen, erfordert Mut. Es ist eine Stärke, nicht eine Schwäche, sich seinen Gefühlen zu stellen und sie offen zu kommunizieren.
Zweitens, wir brauchen Vorbilder. Mehr Männer in der Öffentlichkeit, die ihre emotionale Seite nicht scheuen, können helfen, das Bild zu normalisieren. Denken Sie an Sportler, die nach einem harten Spiel ihre Enttäuschung zeigen, oder an Väter, die ihre Freude und Liebe offen mit ihren Kindern teilen.
Lachen erlaubt – auch über sich selbst
Ein wenig Humor kann ebenfalls nicht schaden. Wenn wir über unsere eigenen emotionalen Missgeschicke lachen können, zeigen wir, dass es in Ordnung ist, nicht immer perfekt zu sein. Ein Mann, der über sein letztes, von Tränen unterbrochenes Date lachen kann, zeigt, dass er zu seinen Gefühlen steht – und das ist wahrhaft männlich.
Fazit
So, liebe Männer da draußen, lasst uns eure emotionalen Mauern ein wenig herunterfahren. Es ist Zeit, dass ihr anerkennt, dass Emotionen keine Schwäche, sondern eine menschliche Stärke sind. Männer dürfen und sollten ihre Gefühle genauso frei ausdrücken können wie Frauen. Das macht sie nicht weniger männlich, sondern einfach menschlicher, gesünder und viel sympathischer.
Es ist okay, mal nicht der Fels in der Brandung zu sein. Auch ein Fels darf mal erodieren und sich von den Wellen formen lassen. Wer weiß, vielleicht entdeckt man dabei ja ganz neue, wunderschöne Formen von sich Selbst und gefällt sich dabei auch noch:-)
Ihre Julia Kaser